KARLSRUHE (dpa-AFX) - Wenn ein Bauprojekt steckenbleibt, hat ein Wohnungseigentümer gegenüber der Eigentümergemeinschaft grundsätzlich einen Anspruch darauf, dass das Gemeinschaftseigentum plangerecht errichtet wird. Das gilt aber nicht, wenn der Bau den übrigen Wohnungseigentümern nicht zumutbar ist. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden. (Az. V ZR 243/23)
Im konkreten Fall sollte eine Abbruchimmobilie abgerissen und ein Wohn- und Geschäftshaus mit mehreren Eigentumseinheiten gebaut werden. Doch schon während der Abrissarbeiten kam das Vorhaben zum Stillstand. Der Bauunternehmer ging insolvent. Eine Eigentümerin beantragte, die Aufträge neu zu vergeben und die Arbeiten durchführen zu lassen. Die Wohnungseigentümergemeinschaft, zu der sie gehörte, lehnte das aber ab. Dagegen zog die Frau vor Gericht.
Musste das Gemeinschaftseigentum gebaut werden?
Das Besondere an dem Fall sei, dass die Erwerber der Wohnungseinheiten hier schon eingetragene Wohnungseigentümer sind - obwohl das geplante Gebäude "nicht einmal ansatzweise fertiggestellt ist", erklärte die Vorsitzende Richterin, Bettina Brückner. Daher müsse das Wohnungseigentümergesetz angewendet werden. Meistens braucht es dafür erst einen gewissen Baufortschritt.
Ist aber der Käufer einer Wohneinheit wie hier bereits Eigentümer und Mitglied der Eigentümergemeinschaft, kann er verlangen, dass das Gemeinschaftseigentum erstmals in einen der Teilungserklärung entsprechenden Zustand versetzt wird, urteilten die Karlsruher Richterinnen und Richter. Und zwar unabhängig davon, wie weit fortgeschritten die Bauarbeiten sind.
Bau muss für andere Eigentümer zumutbar sein
Der Eigentümeranspruch habe aber trotzdem eine Grenze, entschied der Fünfte Zivilsenat. Nach dem Grundsatz von Treu und Glauben entfällt auch beim sogenannten steckengebliebenen Bau der Anspruch auf Errichtung des Gemeinschaftseigentums, wenn das den übrigen Wohnungseigentümern nach den Umständen des Einzelfalls nicht zuzumuten ist. Ob das der Fall ist, hängt auch von der Höhe der zusätzlichen Kosten ab, die auf sie zukommen würden.
Die Bewertung der Zumutbarkeit hatte das Landgericht Koblenz im konkreten Fall zuvor der Wohnungseigentümergemeinschaft überlassen. Die sollte dafür ein Sachverständigengutachten einholen. Der BGH hob das landgerichtliche Urteil am Freitag auf und verwies die Sache zurück nach Koblenz. Es sei Aufgabe des Tatgerichts, die Unzumutbarkeit des Baus zu bewerten. Am Landgericht muss der Fall nun erneut verhandelt und entschieden werden./jml/DP/mis