Der Iran hat in der Nacht zum Sonntag als Vergeltungsschlag Israel mit Drohnen und Raketen angegriffen. Die Lage im Nahen Osten droht damit weiter zu eskalieren. Wenn die Streithähne nicht zur Besinnung kommen, könnte es zu einem Flächenbrand kommen. Noch sind diplomatische Lösungen möglich. Anleger bewahren unterdessen Ruhe.
Der Iran hat seine Drohung wahr gemacht und den Erzfeind Israel erstmals direkt angegriffen. Die Revolutionsgarden starteten nach eigenen Angaben Drohnen und ballistische Raketen in Richtung Israel. Die Operation mit dem Titel "Aufrichtiges Versprechen" war ein Vergeltungsschlag für die Tötung hochrangiger Offiziere in Syrien. Am 1. April waren bei einem mutmaßlich israelischen Luftangriff auf Irans Botschaftsgelände in der syrischen Hauptstadt Damaskus mehrere hochrangige Militärs getötet worden. Israel konnte die meisten Geschosse abfangen. Der israelische Heimatschutz hat am Sonntag vorerst Entwarnung gegeben.
Die Geschehnisse werden am Montag Auswirkungen an den Finanzmärkten haben. Anleger sollten jedoch einen kühlen Kopf bewahren und in der aufgeheizten Umgebung nicht vorschnell reagieren.
Außerbörslich gerieten am späten Samstag-Abend bereits viele Kurse durcheinander. Der Broker IG taxierte den Weekend-DAX zeitweilig unter 17.700 Punkten. Auch die großen Aktien-Indizes in den USA gaben nach. Der US-Dollar, Gold und Rohöl verteuerten sich hingegen. Deutlich war die Reaktion bei den Kryptowährungen. Der Bitcoin rutschte zeitweilig bis nahe 61.000-Dollar-Marke, steht am Sonntag-Vormittag aber mit 64.600 Dollar wieder etwas höher. IG sieht die DAX-Indikation bei 17.760.
Kleiner Rückblick: Am vergangenen Freitag hat der DAX nach einem zunächst freundlichen Start mit leichten Verlusten geschlossen. Der Druck auf den deutschen Aktienmarkt kam erst am Nachmittag durch US-Konjunkturdaten, enttäuschte Reaktionen auf Quartalsberichte von US-Banken und einen schwachen US-Börsenauftakt.
Der deutsche Leitindex ging letztlich bei 17.930 Punkten aus dem Xetra-Handel ein. Als positiv wurde dabei von charttechnischen Analysten eingeschätzt, dass die "volumenstarke Haltezone" bei um die 17.900 Punkten erneut Wirkung gezeigt habe. Auf Wochensicht verbuchte der DAX damit ein Minus von 1,4 Prozent.
"Die Anleger haben eine stressige Börsenwoche hinter sich", resümierte Marktanalyst Konstantin Oldenburger vom Broker CMC Markets am Freitag. Die noch zu Wochenbeginn erhoffte Stabilisierung über der 18.000-Marke sei gescheitert. In der nun anlaufenden Berichtssaison in den USA und Europa könne bald die Entscheidung fallen, ob es eine Chance für ein Wiederaufleben der Börsenrally gebe oder ob es zu einer größeren Korrektur komme.
Einen raschen neuen Versuch des DAX , wieder in Richtung des nach Ostern erreichten Rekordhochs von 18.567 Punkten zu klettern, erwartet so schnell niemand. Vielmehr halten Experten eine Kurskorrektur in Richtung 17.700 Punkte bei entsprechender Nachrichtenlage für durchaus möglich.
Nach einem schwachen Wall Street- und Nasdaq-Schluss aufgrund magerer US-Konjunkturdaten und der sich abzeichnenden Eskalation des Konflikts zwischen Iran und Israel schloss der XDAX am Freitag-Abend bereits bei 17.862 Zählern.
Keine US-Zinssenkung bis einschließlich Juli
Die Index-Abschwächung wundert nicht, denn in den USA sind nach den März-Inflationsdaten – so glaubt zumindest Chef-Marktanalyst Jochen Stanzl von CMC Markets – "sowohl der Juni- als auch der Juli-Termin für eine Zinssenkung vom Tisch". Dies habe nur deshalb nicht zu einer größeren Talfahrt an den Börsen geführt, da die Mehrheit am Markt davon ausgehe, dass die US-Wirtschaft höhere Zinsen für einen längeren Zeitraum vertragen könne. "Nun muss die Berichtssaison zeigen, ob das auch für einzelne Unternehmen gilt".
Die Probe aufs Exempel lässt nicht mehr lange auf sich warten. Nachdem die ersten US-Banken die Berichtssaison in der weltgrößten Volkswirtschaft eingeläutet haben, werden in der neuen Woche weitere Unternehmen folgen: Die US-Investmentbank Goldman Sachs legt am Montag Zahlen vor und Morgan Stanley , die Bank of America sowie das Pharma- und Konsumgüter-Unternehmen Johnson & Johnson am Dienstag.
Berichtssaison beginnt auch in Europa
In Europa wird der Auftakt von Chipindustrie-Ausrüster ASML am Mittwoch gemacht und hierzulande vom DAX-Konzern Sartorius . Der Pharma- und Labor-Ausrüster will seine Quartalsbilanz am Donnerstag veröffentlichen. Zuvor berichtet am Dienstag der Konsumgüter-Hersteller Beiersdorf über seine Umsatzentwicklung. So richtig Fahrt aber nimmt die Berichtssaison erst in der darauf folgenden Woche auf.
Damit dürften die Anleger weltweit zwischen Zinssorgen und zunehmend überprüfbar werdender Gewinnfantasien hin- und hergerissen bleiben. Das Enttäuschungs-Potenzial könnte dabei in den USA höher sein, denn während in der weltgrößten Volkswirtschaft die Messlatte hoch hängt, haben die Analysten in Europa ihre Erwartungen bereits etwas heruntergeschraubt, wie Analyst Frank Klumpp von der LBBW konstatiert.
Weitere Konjunkturdaten im Fokus
Konjunkturseitig gilt in den USA in der neuen Woche vor allem den zu Wochenbeginn anstehenden Einzelhandelsdaten für März die Aufmerksamkeit. Es geht immerhin um die Frage, ob "der US-Verbraucher unverwüstlich ausgabefreudig" geblieben ist, wie Christian Apelt von Helaba schreibt. Er und Christoph Balz von der Commerzbank rechnen zwar nicht mehr mit demselben starken Anstieg wie zuvor, aber immerhin noch mit einem moderaten. Unter den weiteren wichtigen US-Daten rückt am Dienstag vor allem die Industrieproduktion in den Blick. Sollten beide Daten stärker als erwartet ausfallen, dürfte dies das derzeitige US-Zinsszenario "höhere Zinsen für längere Zeit" weiter anheizen, erwartet LBBW-Experte Klumpp.
Hierzulande könnten zuvor noch die ZEW-Konjunkturerwartungen bewegen. LBBW und Helaba rechnen nach zuletzt positiven Überraschungen bei den Frühindikatoren für die deutsche Wirtschaft und global mit einem leichten Anstieg. Der erwartete Konjunkturaufschwung scheine sich nun durchzusetzen, schreibt Helaba-Analyst Stefan Mütze. Der jüngste Anstieg der Produktion auch in der deutschen energieintensiven Industrie zeige, dass diese trotz der schwierigen Rahmenbedingungen konjunkturell nicht abgeschrieben werden sollte. (Mit Material von dpa-AFX)