Brenntag hat eine umfassende Neuordnung seiner Geschäftsstrukturen angekündigt, die darauf abzielt, die beiden Hauptsegmente des Unternehmens – Prozess- und Spezialchemikalien – in eigenständige Einheiten zu überführen. Diese strategische Entscheidung soll langfristiges Wachstum sichern und operativen Einheiten mehr Flexibilität verleihen.
Brenntag, der weltweit führende Chemikaliendistributor, plant bis zum Jahr 2026 eine tiefgreifende Umstrukturierung mit dem Ziel der Entflechtung zweier unabhängiger Geschäftsbereiche: "Essentials" für Prozesschemikalien und "Specialties" für Spezialchemikalien. Die anvisierte Trennung könnte in eine Aufspaltung des Unternehmens münden. Trotz bestehender enger Verbindungen zwischen den Sparten zeichnet sich ein komplexer Transformationsprozess ab, auf den sich das Unternehmen mit Ausdauer und einer detaillierten Planung vorbereitet.
Brenntag war zuletzt in das Visier aktivistischer Investoren geraten. Dabei machte vor allem der britische Finanzinvestor Primestone auf sich aufmerksam, der gut zwei Prozent an Brenntag hält. Primestone wie auch dem US-Hedgefonds Engine Capital geht es darum, dass sich Brenntag in die beiden Sparten für Spezial- und Basischemikalien aufspalten soll. Davon erhoffen sich die Investoren eine schnelle Wertsteigerung.
Finanzielle Ziele und Strategie
Brenntag strebt mit seiner Restrukturierung steigende Autonomie und Agilität der beiden Geschäftsbereiche an, um das Wachstum zu fördern.
Ab 2024 sollen separate Gesellschaftsstrukturen etabliert werden. Die Anpassungen beinhalten die Schließung von 25 Standorten und eine Personalreduktion um 300 Stellen, zusätzlich zu den bereits umgesetzten Kürzungen von über 1300 Mitarbeitern und 100 Standorten.
Durch diese Einschnitte erhofft sich das Unternehmen bis 2027 auf Jahressicht Einsparungen von jährlich 300 Millionen Euro bei einmaligen Transformationskosten von etwa 250 Millionen Euro.
Inklusive Kosten für die Entflechtung selbst könnten 450 bis zu 650 Millionen Euro bis 2027 anfallen. Dies ist mehr als von JPMorgan-Analyst Chetan Udeshi erwartet, der eigenen Aussagen zufolge mit 150 Millionen Euro gerechnet hatte.
Unbeeinträchtigt von den Restrukturierungsplänen setzt Brenntag weiterhin auf Zukäufe mit einem Akquisitionsbudget von 400 bis 500 Millionen Euro jährlich. Das Ebita-Wachstum soll bis 2027 jährlich sieben bis neun Prozent betragen, wobei für "Essentials" fünf bis sieben Prozent und für "Specialties" sieben bis neun Prozent angestrebt werden.
So reagieren die Analysten
Das Analysehaus Jefferies hat Brenntag anlässlich des laufenden Kapitalmarkttags auf "Hold" mit einem Kursziel von 70 Euro belassen. Wichtige Veränderungen wie etwa eine Aufspaltung stünden beim Chemikalienhändlers vor 2026 nicht auf der Agenda, schrieb Analyst Chris Counihan in einer am Dienstag vorliegenden Studie. Auch Aussagen zum diesjährigen Ergebnisausblick oder einer Ausweitung des Aktienrückkaufprogramms gebe es nicht, sondern primär Informationen zu den neuen mittelfristigen Zielen sowie zur geplanten Entflechtung der Geschäftbereiche.
JPMorgan hat Brenntag nach Aussagen des Chemikalienhändlers anlässlich des Kapitalmarkttags auf "Underweight" mit einem Kursziel von 72 Euro belassen. Brenntag habe unter anderem einmalige Ausgaben in Höhe von rund 450 bis 650 Millionen Euro für das laufende Sparprogramm und die weitere Entflechtung bis 2027 angekündigt, schrieb Analyst Chetan Udeshi in einer am Dienstag vorliegenden Studie. Dieser Betrag liege über seiner Schätzung von 150 Millionen Euro.
Die UBS hat die Einstufung auf "Buy" mit einem Kursziel von 84 Euro belassen. Er halte den Chemikalienhändler nach wie vor für unterbewertet und sehe Optionen für einen Turnaround beziehungsweise eine Aufspaltung des Unternehmens, schrieb Analyst Rory McKenzie in einer am Dienstag vorliegenden Studie.
Goldman Sachs hat Brenntag auf "Buy" mit einem Kursziel von 93 Euro belassen. Der Chemikalienhändler habe seine mittelfristigen Ziele, den strategischen Plan und Initiativen bis 2027 aktualisiert, um das Wachstum und die Unabhängigkeit seiner beiden Sparten voranzutreiben, schrieb Analystin Suhasini Varanasi in einer am Dienstag vorliegenden Studie. Die Details seien eine Weiterentwicklung im Vergleich zu dem, was 2022 gesagt worden sei.
Die Baader Bank hat die Einstufung auf "Buy" mit einem Kursziel von 99 Euro belassen. Die Ankündigungen des Chemikalienhändlers im Vorfeld des Kapitalmarkttages seien positiv zu werten, schrieb Analyst Christian Obst in einer am Dienstag vorliegenden Studie. Die Pläne des Managements glichen allerdings mehr einem Marathon als einem Sprint.
Das macht die Aktie
Die Aktie gab am Vormittag nach und verlor zuletzt in der DAX-Schlussgruppe 1,4 Prozent. Ein Händler wertete die Maßnahmen zur fortschreitenden Transformation als "Schritt in die richtige Richtung". Die neuen Prognosen bedeuteten zudem eine leichte Verbesserung zu den alten Mittelfristzielen. Christian Obst, Analyst der Baader Bank, notierte jedoch dazu, die Pläne des Managements glichen mehr einem Marathon als einem Sprint. Und auch die Analysten von Jefferies monierten, dass wesentliche Änderungen der Geschäftsstrategie nicht vor 2026 kämen. Zudem verursache die Transformation zusätzliche Kosten.
(mit Material von dpa-AFX).