von AnnaMaria Andriotis und David Benoit
The Wall Street Journal
Übersetzung: Laura Markus
Zelle verbuchte 2021 rund 1,8 Milliarden Transaktionen im Wert von 490 Milliarden Dollar – jeweils mehr als doppelt so viel wie vor der Pandemie.
Dieses Wachstum hat Zelle neue Möglichkeiten eröffnet und eine Diskussion unter den Banken ausgelöst, die Zelle besitzen – darunter JPMorgan, die Bank of America und Wells Fargo. Die Debatte dreht sich um die Frage, ob es im Interesse der Banken liegt, eine Zahlungsoption zu fördern, die mit den Kreditkartenunternehmen Visa und Mastercard konkurriert, heißt es aus Insiderkreisen.
Banken verdienen jedes Jahr Milliarden von Dollar an den Gebühren, die Händler zahlen, wenn Kunden Kredit- und Debitkarten verwenden. Eine Zahlungsmöglichkeit, die Geldbeträge direkt zwischen den Bankkonten von Käufern und Händlern transferiert, könnte das ändern. Aber Visa und Mastercard legen die Gebühren fest und behalten einen Teil für sich selbst. Wenn sie die Kreditkartenunternehmen umgehen, könnten die Banken die Regeln und Gebühren selbst festlegen. Aufgrund der zunehmenden Beliebtheit von Zelle fragen sich einige Bankmanager, ob dieser Service die Lösung sein könnte.
Wells Fargo und die Bank of America wollen den Dienst auf den Einzelhandel ausdehnen, da solche Angebote in Asien sehr beliebt sind. Kunden der Bank of America haben im vergangenen Jahr erstmals mehr Zelle-Transaktionen durchgeführt als Papierschecks ausgestellt.
Die Führungskräfte von JPMorgan, der größten US-Bank, glauben nicht, dass es der richtige Zeitpunkt für eine Ausweitung von Zelle ist. Sie fordern, dass man sich zunächst mehr darauf konzentriert, die Verbraucher vor Betrug zu schützen. U.S. Bancorp und Capital One Financial sind noch unentschlossen.
Die Banken, die den Schritt befürworten, können den Service auf eigene Faust ausprobieren. Bevor der Dienst jedoch für alle Banken, die ihn nutzen, aktiviert werden kann, ist die Zustimmung der Eigentümer von Zelle erforderlich. Sieben Banken sind Eigentümer von Early Warning Services, dem Unternehmen, das Zelle betreibt, und rund 1.450 Finanzinstitute bieten ihren Kunden Zelle an.
Einige Banken fragen bei Händlern nach, ob sie Interesse an einem Pilotprojekt haben, bei dem sie bereits in diesem Jahr Zelle für Online-Zahlungen akzeptieren können. Wie das funktionieren soll, wie hoch die Gebühren für die Händler sein sollen und welche Vorteile den Verbrauchern geboten werden sollen, wird noch diskutiert.
Zelle hat bereits Funktionen für Unternehmen hinzugefügt und „arbeitet mit Finanzinstituten zusammen, um weitere Möglichkeiten zu prüfen“, so eine Sprecherin von Early Warning Services.
In den USA, wo vorwiegend mit Karte bezahlt wird, ist nicht garantiert, dass sich ein solcher Service durchsetzen würde. Vor einigen Jahren haben sich größere Händler zusammengetan, um Kunden die Zahlung per Bankkonto anzubieten, doch die Bemühungen sind letztlich im Sande verlaufen.
Frühere Misserfolge haben die Unternehmen aber nicht davon abgehalten, es weiter zu versuchen. Discover Financial Services ist vor kurzem eine Partnerschaft mit einem Finanztechnologieunternehmen eingegangen, um über sein Netzwerk Zahlungen per Bankkonto zu ermöglichen.
Aufgrund der Beliebtheit von Pay-by-Bank-Diensten wie Alipay und WeChat Pay in Asien befürchten einige Banken und Zahlungsdienstleister, dass sie von einem Tech-Giganten verdrängt werden könnten.
Seit 2019 bietet Zelle den Service auch in kleinen Unternehmen an. Laut Early Warning Services verzeichnete Zelle 2021 einen Anstieg der Zahlungen von Kleinunternehmen um 162 Prozent gegenüber dem Vorjahr.
Inzwischen planen drei Banken ein Pilotprojekt, bei dem Nutzer mit Zelle Mietzahlungen an einige große Hausverwaltungen senden können. Kreditkartenunternehmen versuchen schon seit Jahren vergeblich, im Mietgeschäft Fuß zu fassen.